Ich bin ein Bus

Dem Bus wird im Feierabendverkehr die Vorfahrt genommen. Vollbremsung. Mehrere Fahrgäste fliegen nach vorn durch, kreischen, ein Kind weint. Ich habe einen Sitzplatz (glücklicherweise).
Der Busfahrer brüllt aus dem Fenster. “Geht’s noch? Alter! Hast du sie nicht mehr alle?”
Der Autofahrer öffnet die Scheibe, ruft aggressiv: “Ich hab dich nicht gesehen!”
Busfahrer: “Du hast mich nicht gesehen???? ICH BIN EIN BUS!!!”
Mehrere Fahrgäste fotografieren eifrig das Nummernschild des Autos, während der Busfahrer durch den Bus rast. “Ist jemand verletzt oder beschädigt?” Dies wird verneint.
Das Auto, das quer auf der Straße steht und von anderen Autos angehupt wird, fährt einfach weg. “Fahrerflucht, Fahrerflucht”, brüllt der Busfahrer, springt gestikulierend aus dem Bus und rennt dem Auto nach (sinnlos). Auch der Bus steht quer auf der Straße, in der Dämmerung hell erleuchtet und mit geöffneten Türen. Zeit für einen gut platzierten Kommentar.
Ich sage: “Typisch Berlin wäre, wenn jetzt spontan Leute einsteigen würden.”
Die Frau neben mir (unbekannt) prustet los, rammt mir ihren Ellenbogen in die Seite und lacht mehrere Sekunden lang laut, als wären wir nach jahrzehntelanger Freundschaft gemeinsam in einer Kneipe.
“Jemand verletzt?”, fragt der zurückgekehrte Busfahrer.
“Nein!”, rufen die Fahrgäste.
“Dann geht’s jetzt weiter.”
“Ja!”, rufen die Fahrgäste.
Der Bus fährt los, und sofort ertönt die automatische, völlig überflüssige Ansage: “Bitte halten Sie sich während der Fahrt fest.”