Vollmond

Auf einer Berliner Straße, ich betrachte den imposanten Vollmond.
Eine ältere und fein gekleidete Dame bleibt neben mir stehen. “Sieht toll aus, der Mond”, sagt sie.
“Finde ich auch.”
“Vorhin war er rot. Das ist kein gutes Zeichen.”
“Wieso, wird dann das Wetter schlechter?”
“Nein, politisch gesehen.”
“Ernsthaft?”
“Ja. Bei einem roten Mond gibt es Veränderungen. Habe ich schon oft beobachtet.”
“Na, dann hoffen wir mal, dass es gute sein werden.”
Sie schüttelt den Kopf. “Nein. Die Mehrwertsteuer wird erhöht! Unsere Rente aber nicht, das können Sie vergessen. Ab jetzt wird alles teurer.” Sie holt Luft. “Aber mit einem hatte ich Recht! Und zwar mit diesem Trump! Ein guter Mann! Der entspannt die Lage in Korea.”
“Na ja”, entgegne ich. Eigentlich wollte ich mir nur den schönen Mond anschauen und nicht über Trump nachdenken.
“Es ist gut, dass der gewählt worden ist! Die beiden Weibsen hätten nicht zusammen gepasst!”
“Welche beiden Weibsen denn?”
“Merkel und die andere. Die mit H.”
“Hillary?”
“Ich bin jetzt müde und gehe hoch. Aber eins ist schon jetzt klar. Ich werde die ganze Nacht nicht schlafen können, und wer ist schuld daran?”
Ich mache eine Kopfbewegung gen Himmel. “Der Mond vielleicht?”
“Richtig.”
“Ist doch nicht so schlimm. Immerhin können Sie ausschlafen.” Ich bereue meinen Satz, bevor ich ihn zu Ende gesprochen habe.
“Wie bitte?” fährt sie mich an.
“Na”, druckse ich herum, “Sie sind doch in Rentnerin, oder nicht?”
Sie dreht sich auf den Hacken um und geht.