Namibia

S-Bahn in Berlin. Mir gegenüber sitzt ein Ehepaar, offensichtlich Touristen. Er trägt ein T-Shirt, auf dem „Namibia“ steht.
Steigt ein Mann ein, klein, hippelig, der „ich-brauche-Aufmerksamkeit-Typ“ mit eindeutigem Drogenproblem. Er setzt sich, schaut kurz das Ehepaar an, räuspert sich, hustet, rutscht auf dem Sitz umher, richtet sein Bascap aus, schaut sich permanent um, wartet auf Irgendwas.
Starrt dann erneut das Ehepaar an.
Unbedingt ignorieren!, schreit meine innere Stimme.
„Sagn se ma, also ick hab da ma ne Frage.“
Der Mann mit dem Namibia-Shirt wendet sich ihm zu.
„Warn se schon ma in Namibia oder wieso renn se damit rum?“
Mann: „Ja, ich war da. Mehrmals.“
„Und? Waret schön?“
Nicht antworten! Das geht nie im Leben gut.
Die Frau richtet sich auf. „Ja“, sagt sie begeistert. „Es ist ein wirklich faszinierendes Land!“
„Aha, und wieson ditte?“
„Sehr weite, wunderschöne Natur und kaum Menschen.“
„Also dit könn se hier och haben, dit is nüscht besonderet.“
Mann: „Ach.“
„Klar. Müssn se nur nach Norden fahrn. Richtung stimmt schon ma. Einfach hier inne S-Bahn sitzen bleiben.“
Sie: „Und was ist da?“
„Brandenburg und Mecklenburg. Die sind komplett menschenleer.“
Die Frau schaut skeptisch erst den Typen, dann ihren Mann an.
Der Typ, aggressiv. „Jetze wohnen da vielleicht noch ein paar alte Leute, aber in zirka zehn Jahren ist da niemand mehr! Alle weg! Tote Erde! Verbrannt! Haben die Ossis auch nicht besser verdient! Ham ja nüscht!“
Das Touristen-Ehepaar tauscht konsternierte Blicke aus.
Endlich steht der Typ auf. „Denken Se ma drüber nach!“
Und er steigt aus der S-Bahn.
„Willkommen in Berlin“, sage ich zum Ehepaar. „Sie dürfen hier leider nicht mit jedem quatschen.“