Als ich mit Hitler Schnapskirschen aß
Samstag, der 12. Mai 2018Von Manja Präkels – Ehrlicher Roman über Jugendliche zur Wende
„Als ich mit Hitler Schnapskirschen aß“ von Manja Präkels ist ein sehr wichtiges und hervorragend geschriebenes Buch, das in der Rückschau auf die DDR nicht mit dem Mauerfall endet, sondern weiter erzählt: Die Geschichte über Orientierungslosigkeit und teilweiser Verwahrlosung einer Generation, die ungeschützt in eine neue Gesellschaftsform katapultiert wird und dem plötzlichem Wandel der Werte ausgesetzt ist.
Die Vorbilder dieser Generation verschwinden von heute auf morgen, wechseln ihre Gesinnung oder geben sich dem Materialismus hin. Ergebnis: Flucht, Selbstverleugnung, Lähmung und Angreifbarkeit für Extreme, vor allem für rechte Extreme.
Vordergründig geht es in dem Roman um die Entwicklung eines Jungen zum Nazi, wobei die Hauptperson Mimi ist, eine von Wiedersprüchen gezeichnete junge Frau, die das Unmögliche versucht: zu entkommen und gleichzeitig Verantwortung zu tragen. Sie ist getrieben davon, sich ihrer Geschichte und ihrer (angenommenen) Schuld zu stellen.
Der Roman vermittelt ein subjektives und gleichzeitig allgemeingültiges Bild eines zerrissenen jungen Menschen in den Nachwendejahren, der geprägt ist durch die Überforderung der Älteren und deren begründete Angst, im neuen System nicht bestehen zu können. Es wird spürbar, wie sich diese Angst auf die Jungen überträgt und in Hass auf Andersartige umschlägt – einfach so, in rasender Geschwindigkeit, schweinbar aus dem Nichts und unfassbar für jene, die an ein humanistisches Menschenbild glauben.
Prägnant zeigt Manja Präkels auf, dass in den frühen 90er Jahren vor allem die jungen Menschen keine Außenseiter sein konnten und wollten (Nachwehen der Diktatur), sich dennoch viele als solche fühlten und bemüht waren, irgendwo dazuzugehören, selbst wenn die eigenen Helden am Ende anderen den Schädel einschlugen.
Ich werde noch lange über diese Reise in die Vergangenheit und deren Auswirkung auf unsere politische Gegenwart nachdenken. Mehr kann ein Buch nicht leisten, das ist es, was gute Literatur vermag. Danke dafür.
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